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Als kleines Mädchen habe ich wochenlang auf Weihnachten hingefiebert, konnte es morgens kaum erwarten aus dem Bett zu kriechen, um endlich das Türchen vom Adventskalender zu öffnen, im Schlafanzug mit nackten Füßen, frierend. Mit jedem kleinen Geschenk weniger rückte der große Tag und damit auch die großen Geschenke ein wenig näher. Ich erinnere mich an braves Ausharren in der Kirche, dem Hören der immer selben Geschichte (wobei sie mal mehr mal weniger unterhaltsam dargeboten wurde) – ja ja das kleine Jesusbaby in der Krippe. Dann wieder Ausharren im Flur vor der guten Stube, in der die Eltern schier endlos alles herrichteten – zum Zeitvertreib schnitt ich mir selbst im Spiegel Grimassen (und hab mir sogar mal ein bisschen Angst eingejagt), wenn es gerade nichts zu streiten mit den Brüdern gab (wenigstens an Weihnachten könnt ihr doch mal friedlich miteinander sein), bis endlich das erlösende Glöckchenklingeln zu vernehmen war und wir die magisch verschlossene Tür öffnen durften. In seiner ganzen Pracht stand da der Baum, das köstliche Essen duftete, die Klänge des Weihnachtsoratoriums wirbelten uns um die Ohren und wir trieben das Ausharren noch mit dem Singen von Liedern oder Darbieten von Gedichten oder Flötenstücken auf die Spitze, bis sich endlich alles im großen Finale, dem Geschenke Auspacken entladen durfte. Ich erinnere mich an das Gefühl eines Rausches, das dabei verursacht wurde und genauso an das Gefühl von dumpfer Leere, als das letzte Päckchen ausgepackt war. Wie das war schon alles? Das war es jetzt also, worauf ich wochenlang gewartet habe.
So fieberte ich mit jedem Lebensjahr auf dem Buckel ein bisschen weniger auf den großen Tag hin, zelebrierte das Ausharren nicht mehr, sondern half dem Essen abends auf die Sprünge und auch dem schnellere Auspacken, durch die Verweigerung von ritualisierter Familienidylle. Irgendwann kam das Alter in dem ich selbst mehr Geschenke verschenkte als ich erhielt und damit auch der Vorweihnachtsstress und das Zermatern des Hirns, was man schenken könnte.
Der alljährliche Gottesdienst mit den süßlichen Weihnachtsliedern und der immer gleichen Geschichte vom kleinen Jesusbaby lief nebenher weiter mit. Weihnachten an sich gewann dadurch nicht wirklich für mich.

Und jetzt kommt`s: ich glaub dieses ist das bisher beste Weihnachten meines Lebens! Dabei ist noch nicht mal Weihnachten. Und das liegt ein bisschen daran, dass ich zum ersten Mal die Vorweihnachtszeit durch die strahlenden Augen meines Sohnes erleben darf (letztes Jahr war er noch ein bisschen zu klein), seine morgendliche Freude auf den Adventskalender, sein eifriges Plätzchen ausstechen und tanzen zur Weihnachtsmusik. Ich hatte Muße mich in Ruhe den Vorbereitungen zu widmen, doch am meisten hat sich die immer gleiche Geschichte verändert.
Auf einmal geht es nicht mehr um das kleine Jesusbaby. Denn dieses Jesusbaby hat sich für mich in den letzten Jahren verwandelt. Es ist vom lieblichen Kindlein zu Liebe geworden. Da ist jetzt dieser Gott (manche nennen ihn anders, ich finde auch das Wort ist zu besetzt, also nenn ihn/sie wie du möchtest: Liebe, Mutter, Schöpferkraft, Flow…), den ich nicht begreifen kann, weil er/sie sich komplett meiner Vorstellungskraft entzieht. Wenn ich die Augen schließe, spüre ich seinen/ihren sanften, liebevollen Blick auf mir ruhen. Und dieser Gott macht sich für mich begreifbar, indem er wird wie ich, sich quasi runterrechnet auf ein Niveau, das ich mit meinen Sinnen wahrnehmen und meinen Worten beschreiben kann. Noch nie hatte ich so viel Respekt vor diesem Baby in der Krippe und diesem Mann, der daraus geworden ist und mir das Wesen des großen Mysterium, des großen Du, ein wenig fassbarer macht. Diesem Mann, der mir früher ein bisschen peinlich war, mit seinen Sandalen. Dieser Jesus ist heute für mich ein riesen Vorbild. Sein Mut, seine Klarheit, sein außer Acht lassen von Konventionen, seine radikale Inklusion, seine aufopferungsbereite Liebe und auch seine Selbstfürsorge – die Zeit, die er sich für sich und seine Verbindung zum großen Mysterium genommen hat. Und wenn Jesus und sein Wesen, die für uns runtergerechnete Version Gottes ist, dann bin ich echt gespannt auf diesen Gott und ich freue mich über jeden Moment, in dem ich eine Verbindung zu ihm/ihr spüre und mich dem Geheimnis ein bisschen näher fühle. Und das werde ich dieses Jahr feiern.

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