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Die illustre Runde meines Schreibkurses von der Volkshochschule stellt sich vor: Ein Kripobeamter, eine Frau vom Finanzamt, eine Lehrerin, dann ist Sabrina dran, die genauso alt ist wie ich: „Ich arbeite seit ein paar Jahren als Spirituelles Medium. Bin da so reingerutscht. Eigentlich bin ich Bibliothekarin.“ Da keiner Anstalten macht nach näheren Ausführungen dieses Berufsbildes zu fragen, halte auch ich mich zurück. Innerlich rattert es…und als zwei Stunden später die Räder der U-Bahn unter meinem Po rattern, bin ich schon tief versunken in Wikipedia-Ausführungen zum „Spirituellen Medium“. Ich sehe mir auch Videos an und besuche die Internetseite von Sabrina. O.k., diese Menschen können also Engel, Geister und Seelen sehen und mit ihnen reden…und sowieso mit allem kommunizieren, da auch Materie letztlich Geist (Energie) ist. In einem Video wird erklärt, dass diese Fähigkeiten zwar genauso wie das Klavierspielen unterschiedlich verteilt seien, jeder sie aber theoretisch mit viel Übung erlernen könne. Damit einem das nicht unheimlich wird, solle man doch mal damit anfangen mit so etwas Unverfänglichem wie einem Wasserglas über so etwas Unverfängliches wie das Wetter zu plaudern. Alles klar. Mein Wasserglas interessiert sich nicht fürs Wetter, aber ich mich für den Job von Sabrina. (Hauptsache, sie quatscht nicht während des Kurses, wenn ihr langweilig ist, heimlich mit meiner Seele :-))

Ein paar Wochen später schnappe ich sie mir und stelle ihr Fragen zu ihrem Glauben. Es berührt mich, was sie mir erzählt. Sie sagt, da sie einen direkten Draht zu Gott hat, quatscht sie mit ihm persönlich, wenn sie eine Frage hat. Ihre Gespräche zeichnet sie auf einem Diktiergerät auf (indem sie Gottes Antworten in ihre menschlichen umwandelt). Wir sprechen über Leid, Wiedergeburt, Liebe und Lebensaufgaben. In ihrem Job verbindet Sabrina sich mit der Seele eines Klienten und fragt sie, was der Mensch tun kann, um sein Problem zu lösen. Was die Seelen antworten klingt für mich ganz ähnlich wie in der Systemischen Therapie. Letztlich hilft Sabrina ihren Klienten von Ängsten frei zu werden, gesundheitliche Leiden zu bewältigen oder sich selbst und andere lieben zu können. Am Ende erzählt sie mir, dass sie auch mit Obdachlosen ganz normal quatscht, wie mit allen anderen auch, auf Augenhöhe…und dass diese sich darüber meist total freuen. Gott ist für sie eine Energie der Liebe. Zum Abschied drücken wir uns herzlich und ich habe das Gefühl eine Gleichgesinnte, eine Freundin, kennengelernt zu haben.
Ganz ehrlich, noch vor einigen Jahren hätte ich Sabrina sofort abgestempelt: „Was, du erzählst nichts von Jesus? Dann kannst du ja nur vom Teufel sein. Wahrscheinlich willst du mich sogar auf seine Seite locken. Vor dir nehme ich mich lieber in acht.“
Ein Gespräch auf Augenhöhe wäre niemals zustande gekommen, allenfalls hätte ich Gott gebeten, diese arme Seele auf seine Seite zu ziehen.
Doch in den letzten Jahren hat Gott mich an die Hand genommen und mir gezeigt, dass die Welt nicht in schwarz-weiß funktioniert und nicht alle anderes Glaubenden eine Bedrohung für mich darstellen oder in der „Hölle“ landen. Ich durfte meinen Blick weiten und neue Farben kennenlernen. Mittlerweile glaube ich, dass mir Gott in jedem Menschen begegnet (schade, dass ich nicht jeden auch so behandle – wie es Sabrina tut).

Bei unserem nächsten Treffen haben wir unsere selbst geschriebenen Bücher getauscht und seither lese ich Sabrinas Biografie. Ja, es gibt ein paar Unterschiede in dem, was wir glauben und dennoch kommen am Ende dieselben „Früchte“ dabei heraus. Und von Sabrinas Früchten kann ich mir noch so manche Scheibe abschneiden. Versuche ich als Christ nicht schnell mal eine Krankheit einfach wegzubeten…und ärgere mich, wenn das nicht funktioniert? Sabrina schaut sich zuerst an, was die Seele dem Menschen über sein körperliches Leiden mitteilen möchte. Viele Leiden verschwinden nämlich, wenn der Seele mal zugehört und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. Es steckt ein Haufen Lebensweisheit in diesem authentischen Lebensbericht. Sie schreibt so ehrlich auch über Gedanken und Taten, die sie im Nachhinein bereut hat und möchte letztlich mit ihrem Leben genau dasselbe wie ich: Licht sein und Liebe leben!

3 Antworten

  1. Ich finde es ja immer wieder erstaunlich, wie schwer es uns fällt, einander gelten zu lassen und in aufgeschlossener Neugier zu begegnen. Und wie bereichernd, wenn es dann doch gelingt. Frohe Ostern, liebe Anna

    1. Ich liebe es gerade, dass ich Menschen jetzt so begegnen kann und so viele Gemeinsamkeiten entdecke und von anderen so viel in meinem Glauben bereichert und hinterfragt werde. Das ist für mich ein ganz neues Freiheits- und Verbundenheitsgefühl.

  2. Liebe Anna, ich bin von ganzem Herzen berührt, wie du unser schönes Zusammenfinden und über mich geschrieben hast. Ich hatte sogar kleine Tränchen der Freude in den Augen. Weißt du, ich lebe einfach und mach, was mein Herz mir sagt. Ich weiß nicht, wie ich mit meinem Sein auf andere wirke, da es mir eher ein Anliegen ist, wie ich anderen mit meinem Sein helfen kann. Daher haben mich deine Worte auch so berührt, weil ich mich dank ihnen ein bisschen aus deinen Augen – aus deiner Seele betrachten durfte. Vielen Dank für dieses Geschenk und ich sende dir ganz viel Freude, Engel und Gotteslicht! Danke, dass es dich gibt und bleib so wie du bist!
    Deine Sabrina DiAngelo
    ps. Ich lese gerade auch dein Buch und finde, dass du wirklich richtig gut und wundervoll schreibst! Es ist spannend und ich kann mich gleich von Anfang an richtig hineinfühlen! Wunderbarer Schreibstil! Ich freue mich schon auf weitere Werke von dir 🙂 Frohe Ostern, liebe Anna

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